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Fassaden im Wind

26. November 2024

2014 präsentierte Rem Koolhaas – er war auch Kurator der 14. Biennale von Venedig – im zentralen Pavillon der Giardini die Ausstellung „Elements“. Als eine Art Zerlegung der Architektur offenbarte sich die Ausstellung als umfangreicher Katalog ihrer einzelnen Elemente. Wände, Böden, Decken, Schornsteine, Fenster und sogar Rolltreppen und Aufzüge wurden aufgelistet und ihre Entwicklung sowohl chronologisch als auch thematisch verfolgt.

 

 

Die Fassade, die in der obigen Aufzählung absichtlich nicht erwähnt wurde, war ebenfalls ein Schlüsselelement der Ausstellung. Insbesondere sie, die als erste und oft einzige für den Passanten zugängliche Ebene des Gebäudes gilt, wurde in der Architektur nicht nur als künstlerisch-architektonische Ausdrucksebene behandelt, sondern auch als Grenzfläche zwischen Innen und Außen, die in ihrer Aufgabe die Notwendigkeit einer Antwort auf Komfort und Struktur offenbart.

 

In diesem Grenzbereich wurde die Fassade intensiv erforscht, vor allem im Hinblick auf die Materialien und ihre Interpretation als Oberfläche. Wenn wir von der massiven, erdigen Fassade zur „verschwindenden“ Fassade - einer langen Glasscheibe - übergehen, gibt es auch Raum für die schwebende Fassade.

 


Zeichnung von Hugh Ferriss aus dem Jahr 1916 über die Zoning Law Skyspider in New York. Die Zeichnung stammt aus dem Manifestbuch „Metropolis of Tomorrow“, in dem Ferriss seine Vision eines neuen Bildes einer Apfel-Metropole entwirft. Das Bild stammt aus dem Buch „Delirious New York“ von Rem Koolhaas

 

In den Zeichnungen des frühen 20. Jahrhunderts, in denen sich Hugh Ferriss eine exponentiell vertikal wachsende Stadt vorstellte, waren bereits geisterhafte Fassaden zu sehen, die sich zu bewegen schienen. Diese Phantasmagorie, die sich in vielen Zeichnungen der Moderne wiederfindet – etwa in Mies van der Rohes weit verbreiteter Collage des großen Turms an der Friedrichstraße in Berlin –, fand ihren besonderen Ausdruck in den künstlerischen Projekten von Christo und Jeanne-Claude, die ab den 1970er Jahren ganze Gebäude und Monumente wie den Arc de Triomphe in Paris oder den Reichstag in Berlin mit großen Stoffbahnen verhüllten.

 


Christo und Jeanne Claude haben mit der Verhüllung von Wahrzeichen mit Stoff nicht nur über Landschaft und Ortsspezifik reflektiert, sondern auch eine Veranschaulichung über die Einsatz- und Ausdrucksmöglichkeiten dieses Materials an Fassaden geschaffen. Bild: Reichstagsgebäude in Stoff gehüllt von Christo & Jeanne Claude, digitalisiertes Bild einer Postkarte von 1995.

 

Auch, wenn die Experimente von Christo und Jeanne-Claude nicht unbedingt der Ausgangspunkt für eine konkretere Anwendung in der Architektur waren, so trugen sie doch dazu bei, die Möglichkeiten der Anwendung von Textilien an Fassaden zu veranschaulichen.

 

Hinzu kam die Erforschung des Gewebes als technologisches Potenzial, entweder als Teil komplexerer Funktionssysteme oder als isoliertes Element. Architekten verwenden Gewebe als Material, das die Beschattung und den Grad der Lichtabsorption steuern oder zur Wärme- und Schalldämmung beitragen kann.

 

 


Das Curtain Wall House des japanischen Architekten Shigeru Ban ist ein Symbol für den Einsatz von Textilien an der Fassade als technisches und gestalterisches Potenzial. Es folgten zahlreiche Experimente von Architekten wie Lacaton und Vassal, Arno Brandlhuber oder Office. Bilder von © Hiroyuki Hirai aus dem Buch von Peter Hyatt „Masters of Light: Designing the Luminous House“.

 

Eines der emblematischsten Beispiele für die Verwendung von Stoff an der Fassade ist das Curtain Wall House von Shigeru Ban in Tokio aus dem Jahr 1995. Inspiriert von den Filterelementen der traditionellen japanischen Architektur, ist der Vorhang, der die gesamte Fassade dieses städtischen Wohnhauses bedeckt, die Antwort auf die Wünsche eines Bauherrn, der es gewohnt war, in der urbanen Struktur des historischen Zentrums der Stadt zu leben. Der Vorhang, der aus einem zeltähnlichen Material besteht, dient der visuellen Kontrolle und dem Schutz der Privatsphäre, wobei er – je nach Position – eine gewisse visuelle Durchlässigkeit gewährleistet. Darüber hinaus dient er als Lichtschutz sowie als Isolationssystem und ermöglicht in den kalten Monaten eine bessere Wärmespeicherung.

 

In jüngster Zeit hat das Studio Maio mit seinem Vorschlag für ein von der Stadt Barcelona gefördertes Wohngebäude im Stadtteil Sant Feliu de Llobregat sowohl die visuellen Prinzipien der Werke von Christo und Jeanne-Claude als auch die Komfortaspekte des Curtain Wall House aufgegriffen.

 


Das für den Mies-van-der-Rohe-Preis 2024 nominierte Projekt „Housing“ des Studios Maio in Sant Feliu de Llobregat, Barcelona, versucht mit wirtschaftlichen Lösungen auf die von der Stadt geförderte Wohnungsbaupolitik zur Bekämpfung des Wohnungsmangels zu reagieren. Die Fassaden sind mit Außenvorhängen verkleidet, die den Eindruck von Bewegung vermitteln und gleichzeitig zum thermischen Komfort der Wohnungen beitragen. © José Hevia


Die Anbringung von Vorhängen entlang der gesamten Außenfassade des Wohnblocks ist eine direkte Antwort auf die Anforderung des kostenbewussten Bauens, wie es bei Projekten dieser Art üblich ist. Durch den geringen Wartungsaufwand und die lange Lebensdauer der Vorhänge ist es wirtschaftlich möglich, die thermische Effizienz des Gebäudes zu verbessern.

 

In Kombination mit der Fassade aus Terrakottaziegeln und anderen passiven Lösungen, wie dem Innenhof, der den Komplex in den heißesten Monaten kühlt, konnten die Baukosten und die mit der Energieeffizienz verbundenen Wartungskosten unter dem nationalen Durchschnitt gehalten werden.

 

Die Verwendung von Vorhängen an der Fassade ermöglichte auch die Integration von Balkonen als Teil jeder Wohnung, die sich als multifunktionale Räume zwischen Innen und Außen präsentieren – eine Prämisse, die auch auf den halböffentlichen Weg im Erdgeschoss mit seiner mäandernden Anordnung zutrifft.

 


Die Durchlässigkeit, die sich in der Vorhangfassade widerspiegelt, leitet die verschiedenen Dimensionen des Komplexes, insbesondere die öffentlichen Dimensionen. Das Erdgeschoss folgt der Form und der Sprache des städtischen Raums, um eine bessere Integration zwischen beiden zu erreichen, wobei ein hügeliger, befestigter Weg die Zugänglichkeit und die Pflege des städtischen Raums erleichtert. Das Dachgeschoss ist begehbar und kann von der Gemeinschaft genutzt werden. © José Hevia

 

Mit seinen fünf Stockwerken und 40 Wohneinheiten legt das Projekt den Schwerpunkt auf urbane Vernetzung, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, während es gleichzeitig eine unverwechselbare visuelle Identität beibehält, insbesondere durch die Vorhänge, die manchmal den Eindruck eines Segelgebäudes erwecken, wenn die weißen Stoffe im Wind flattern.

 

Dieser Artikel ist eine übersetzte Bearbeitung des Textes des Originalautors

(Luís Filipe Fernandes)

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