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Gebäudetechnik, Material und Raum

13. Januar 2020

Beim Thema Gebäudetechnik ließt man immer wieder diesen einen Satz: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Wo genau die damit angedeutete Grenze zwischen einem Mindestmaß und einer Redundanz an technischer Gebäudeausstattung liegt, kann mitunter nur vermutet werden. Gemeint ist derweil sowieso etwas anderes.

Von Thomas Geuder

 

Wohnhaus R128
Foto: Zoeey Braun 

Spätestens das erste iPhone, das im Januar 2007 vorgestellt wurde, war der finale Schritt in eine Welt einer durch und durch digitalisierten Gesellschaft. Das Bauwesen hingegen hatte sich damals mit der Digitalisierung noch Zeit gelassen. Während wir alle schon mit unseren Smartphones und der virtuellen Welt dahinter verwachsen schienen und die Vernetzung immer intensiver wurde, waren Neubauten technisch noch immer auf dem Stand von vor gefühlten 30 Jahren. Ausnahmen poppten gewiss immer wieder auf, etwa von Planern wie Werner Sobek aus Stuttgart, der während seiner Laufbahn als Architekt und Ingenieur immer wieder die Grenzen des technisch bzw. technologisch Machbaren auslotete. Zum Beispiel mit seinem eigenen Wohnhaus R128 aus dem Jahr 1999, ein viergeschossiges Ganzglasgebäude, das vollständig rezyklierbar und im Betrieb ein emissionsfreies Nullheizenergie-Gebäude ist. Für damalige Verhältnisse waren allein diese Begrifflichkeiten und Ansätze ein Ding.


Aktivhaus B10
Foto: Zooey Braun


Aktivhaus B10
Foto: Zooey Braun

15 Jahre später ist man da bereits einen gehörigen Schritt weiter, wie Werner Sobeks Aktivhaus B10 in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung aus dem Jahr 2014 zeigt. Das als Forschungsprojekt angelegte Gebäude erzeugte – dank ausgeklügeltem Energiekonzept und einer selbstlernenden Gebäudesteuerung – das Doppelte seines Energiebedarfs, und zwar aus nachhaltigen Quellen. Auch Visionäre wie Transsolar aus Stuttgart gehen seit vielen Jahren voran und betreiben ein (wie sie es nennen) „KlimaEngineering“, das die Umwelt und die Ressourcen in den Mittelpunkt rückt. Ein Fachwissen, auf das viele Planungsbüros auf der ganzen Welt immer wieder und gerne zurückgreifen, etwa Renzo Piano Building Workshop, Behnisch Architekten, SANAA, Herzog & de Meuron, Steven Holl Architects oder Shigeru Ban Architects, um nur einige, weltweit bekannte Namen aus ihrer Referenzliste zu nennen.

 

Alt ist nicht überholt

Die Architektur nimmt bekanntlich eine sehr spezielle Rolle unter den praktischen Wissenschaften ein. Denn beim Bauen geht es nicht immer darum, die fortschrittlichste Technologie zu verplanen, auch wenn der Reiz mitunter groß ist. Das ist in gewisser Weise historisch bedingt: Architekten und Baumeistern war es natürlich schon früher möglich, ein gutes Raumklima für die Bewohner zu erzeugen, ohne Technologie und ohne Digitalisierung. Nur durch die Wahl der richtigen Materialien und (was heute zugunsten einer effizienten Ausnutzung des möglichen Bauvolumens allzu oft vernachlässigt wird) die richtigen Raumdimensionen und Gebäudekubaturen haben die Planer oft eine Nachhaltigkeit erzeugt, von der viele heute nur träumen. Die Architektur kann viel leisten, das beweisen zahlreiche alte Gebäude, in denen sich die Menschen heute noch wohlfühlen.

 

Architektur und Material

 


Haus 2226
Foto: Eduard Hueber, archphoto © Baumschlager Eberle Architekten


Haus 2226
Foto: Eduard Hueber, archphoto © Baumschlager Eberle Architekten

So wenig wie möglich, so viel wie nötig: Genau genommen braucht es also nicht viel Technologie, um ein ordentliches Gebäude mit gutem Innenraumklima zu errichten. Gänzlich ablehnen muss man die jüngsten Entwicklungen in der Gebäudetechnik, die einige sinnvolle und relevante Gerätschaften gebracht haben, dennoch nicht. Ob Wärmepumpe, Solarzelle, Lüftungsgerät oder Energiemanagement: Am Ende kommt es nicht nur auf die Quantität der Haustechnik, sondern auch auf das Zusammenspiel mit der Architektur an. Das wissen Visionäre wie Werner Sobek oder Transsolar, die der Grenze des Sinnvollen stets auf der Spur sind, natürlich auch.


Alnatura-Campus
Foto: Roland Halbe


Alnatura-Campus
Foto: Roland Halbe

Architekten und Planer wie Dietmar Eberle wiederum loten bei ihren Bauen ebenfalls das Zusammenspiel von Architektur, Material und Technik neu aus, wenn auch mit etwas anderem Ansatz. Etwa bei einem seiner bekanntesten Bauwerke, dem Haus „2226“ in Lustenau/Österreich (Baubeginn 2010), das durch den weitgehenden Verzicht auf Technik eine stete Raumtemperatur zwischen 22 und 26 Grad erreicht. Die dicken, zweischaligen Außenwände wirken träge auf das Innenraumklima, als Wärmequellen dienen Beleuchtung, Maschinen und Menschen, lediglich CO2-Sensoren sorgen für ein automatisches Öffnen der Lüftungsflügel, wenn die Luft schlecht wird. Oder, ein Beispiel aus jüngerer Zeit: Beim Alnatura-Campus in Darmstadt von haas cook zemmrich STUDIO 2050 (zusammen übrigens mit Transsolar) bestehen die Außenwände zum Großteil aus Lehm, ein natürliches, nahezu vollständig rezyklierbares Material, das für einen optimalen Innenraumkomfort sorgt. Das Projekt wurde mit der DGNB-Zertifizierung in Platin ausgezeichnet.

 

Trias des modernen Bauens

Wie viel Technik und Technologie braucht es also in einem Gebäude wirklich? Manche neue Technologie ist Spielerei, vieles davon ist tatsächlich sinnvoll, einiges sogar notwendig, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Um all das verifizieren und auf den jeweiligen Einzelfall abstimmen zu können, braucht es einen Fachmann, der für die jeweilige Bauaufgabe die richtige Lösung findet. Das, werte Architekten und Planer, ist die gute Nachricht bei aller Technologisierung und Digitalisierung der letzten Jahre. Ein Bewusstsein für das Zusammenspiel von Gebäudetechnik, Material und Raum ist die Grundvoraussetzung für wirklich nachhaltiges Bauen. Sinnvoll ist, was für eine Ausgewogenheit in diesem Trias des modernen Bauens sorgt. Ihn zu definieren und weiterzuentwickeln, aber auch zu einzufordern, liegt schlussendlich noch immer in Ihrer Verantwortung.

 

Gebäudetechnik, Material und Raum
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